Vom Tagesgeschäft ins Projektgeschäft

Projekttafel mit vielen Post-It's darauf.
Photo by Daria Nepriakhina 🇺🇦 / Unsplash

Ich bin Logistiker durch und durch. Studiert habe ich BWL mit Schwerpunkt Logistik, an einer dualen Hochschule. Ich habe also während des Studium gearbeitet. Auch seitdem war ich immer in Logistikbetrieben im operativen Geschäft tätig. Entweder direkt für einen Bereich verantwortlich, oder für das komplette Lager im Allgemeinen.

Vor drei Jahren änderte sich das dann teilweise. Neben meiner operativen Verantwortung bin ich als Product Owner zusätzlich für IT-Projekte verantwortlich gewesen. Die Doppelrolle war auf Dauer aber zu viel und ich habe Anfang letzten Jahres das Unternehmen gewechselt. Jetzt bin ich ausschließlich Product Owner. Und mein Arbeitsalltag hat sich komplett geändert.

War mein Alltag im operativen Geschäft von wenigen Statusterminen und unregelmäßigen Projektterminen bestimmt, haben regelmäßige Termine jetzt mindesten die Hälfte meines Arbeitstages eingenommen. Auch wenn der zeitliche Aufwand gestiegen ist, so sind diese Termine nichts Neues. Aber eine Nummer anstrengender. Sich über Stunden auf wechselnde Themen zu fokussieren ist nicht so einfach. Trotzdem: Etwas schwieriger für mich war die Zeit außerhalb von Terminen. Da ich kein Tagesgeschäft habe ist diese Zeit für die Ausarbeitung für Projekten, Stories oder einfach die normalen Verwaltungsaufgaben als Product Owner. Dabei ist man selten im Zeitdruck, zumindest nicht in der Art, wie es im Tagesgeschäft der Fall ist. Oft hat man mehrere Tage Zeit, um seine Aufgaben zu erledigen und kann sich die Reihenfolge und den Aufwand selbst aussuchen.

Da führte Anfangs dazu, dass ich jedes Thema an mich gezogen und in gewohnter Manier sofort und mit maximaler Effizienz abgearbeitet habe. Klar, als Neuling wird man noch nicht mit vielen oder komplexen Aufgaben überschüttet. Das folgte dann aber die nächsten Monate. Ich habe Teilverantwortung für größere Projekte übernommen und nebenbei noch die Weiterentwicklung meiner eigenen Themen intensiviert und detailliert. Plötzlich hatte ich mehrere komplexe Themen auf dem Tisch, die man nicht einfach abarbeiten konnte. Im Gegenteil, die Themen gehen nur schrittweise voran, man muss sich stark mit anderen Mitarbeitern zusammentun und abstimmen und die verschiedenen Themen zeitlich unter einen Hut bekommen.

Soll ich die nächste Abstimmung ansetzen und vorbereiten, oder kümmere ich mich erst um die Sprintplanung? Was ist eigentlich mit der Aufwandsschätzung und dem Grobkonzept für das Logistikprojekt, welche bis Freitag fertig sein sollen? Da muss ich auch noch Zeit für finden und mich mit den Entwicklern zusammensetzen. Und dann ist da noch der externe Anbieter, mit dem ich die Anbindung und den Zeitplan noch abstimmen muss. Nicht alles sofort, aber offen sind die Themen alle und in den nächsten Tagen werden sie fällig. Ah, da werde ich gerade noch erinnert, dass ich mir die drei Stories noch anschauen wollte...

Eigentlich ist die Arbeit zeitlich machbar, wenn man sich die Zeit frei einteilen könnte. Aber als Product Owner gilt es auch die Stakeholder und die Anforderer mitzunehmen, man kann nicht alleine werkeln. Das sorgt natürlich für einen zeitlichen Mehraufwand auf der einen Seite, auf der anderen Seite nimmt es einem die Flexibilität. Auch die anderen Beteiligten haben einen Terminkalender und man muss die Zeitfenster nehmen, welche noch frei sind. Sofern noch welche frei sind. Dann muss der Termin vorbereitet werden. Entweder kurzfristig, oder man hat zwischenzeitlich andere Themen auf dem Tisch und genau so eine Vorbereitung ist untergegangen. Also kurzfristig und unter hohem Stress. Man möchte ja trotzdem Qualität abliefern.

Nicht mehr der operative Alltag und dessen Wendungen geben meine Planung und Aufgaben vor, sondern ich. Ich muss rechtzeitig planen, muss ordentlich dokumentieren und selbstständig antreiben - mich und andere. Ohne die Übersicht über die Vielzahl aktiver Themen zu verlieren und dort ein Balance sowohl zeitlich als auch ressourcentechnisch zu finden. Das ist eine ganz andere Welt und bis heute noch ungewohnt für mich. Manchmal habe ich keine aktive Aufgabe und falle dann fast schon in ein Loch. Einen Tag später fällt mir auf, dass es gut gewesen wäre, wenn ich in der Zeit etwas Bestimmtes gemacht hätte. Die Idee kam mir aber zu spät und jetzt wird die Zeit wieder knapp.

Manchmal sitzt man auch einfach nur da, schreibt ein Konzept und denkt dabei 30 Minuten darüber nach. Von außen sieht es so aus, als ob ich nur träume, eigentlich läuft mein Kopf aber auf Hochtouren. Zum Glück weitestgehend nicht in meiner Freizeit. Hier habe ich die letzten Jahre gelernt, nach dem Ausstechen die Themen hinter mir zu lassen bis zum nächsten Morgen. Meistens zumindest, ich würde sagen in 95% der Tage. Ich erledige nicht mehr meine Aufgaben und habe dann Feierabend. Feierabend ist, wenn die Arbeitszeit rum ist, die Themen gehen am nächsten Tag weiter. Der Erfolg des Abschlusses stellt sich also seltener ein, im Gegenzug fühlt sich ein Abschluss auch wesentlich erfolgreicher an. Man hat nicht einfach nur einen weiteren Tag die Aufgaben abgearbeitet, man hat wirklich etwas gestaltet und umgesetzt.

Ich mag meinen neuen Arbeitsmodus, ich muss mich nur noch vollständig daran gewöhnen. Nachdenken und Konzepte erstellen ist Arbeit und wertvoll, auch wenn man die Lorbeeren erst wesentlich später erntet. Und die Kleinigkeiten sowie unregelmäßige (Management)Aufgaben? Die muss ich mir noch irgendwie fest einplanen. Ich vergesse doch zu oft, die Roadmap und den aktuellen Stand von Projekten zu aktualisieren. Es liegen noch einige Schritte vor mit, aber viele bin ich schon gegangen. Grundsätzlich glaube ich, auch anhand des Feedbacks, dass ich einen guten Job mache. Eventuell besser als viele andere POs, aber noch nicht bei meiner eigenen Erwartungshaltung angekommen. Das geht noch besser und vor allem strukturierter.

Hold on... there’s more