Ein Jahr 3D-Drucker: Hat es sich gelohnt?
Würde ich einen 3D-Drucker ernsthaft nutzen oder würde er nach ein paar Wochen in der Ecke verstauben? Kann ich damit überhaupt umgehen? Diese und mehr Fragen hatte ich mir letztes Jahr vor Weihnachten gestellt, und mir dann von meiner Freundin einen Creality Ender-3 V2 Neo schenken lassen.
Die ersten Tage und Wochen waren schwierig, wie schon mein Ersteindruck Ein 3D-Drucker ist eingezogen beschreibt. Auf der einen Seite habe ich mich für ein vergleichsweise günstiges Modell entschieden, auf der anderen Seite hatte ich auch keine Ahnung von der Materie. Angeblich sollen teure Modelle von BambuLab oder Prusa deutlich anfängerfreundlicher und wartungsärmer sein. Auf der anderen Seite hätte ich im letzten Jahr dann nicht so viel über Linearsteuerung, Eigenschaften von Kunststoffen, Thermodynamik und Vielem mehr gelernt. Meine Freundin sagt scherzhaft, dass ich mehr Zeit damit verbracht habe, den Drucker einzustellen und zu optimieren, als ich damit gedruckt habe. Und ja, es sind viele Stunden in den Drucker geflossen. Anfangs meist begleitet von Frust, aber am Ende immer mit Freude und Stolz, wenn etwas wieder funktionierte oder besser funktionierte.
Der Start stand klar im Zeichen, das Ding überhaupt zuverlässig in Betrieb nehmen zu können. Die ersten Drucke hatten fast immer Probleme, weil irgendwas noch nicht gepasst hat. Temperaturen, Kalibrierung, Belüftung oder einfach die Druckdatei, irgendwas war immer. Aber immer bin ich hingegangen und habe mir das Ergebnis angeschaut und überlegt, wie ich die Probleme lösen kann. Schritt für Schritt wurden aus ausreichenden Drucken gute Drucke bis hin zu den inzwischen sehr guten Drucken, deren Qualität viele Mitmenschen überrascht.
Als Nerd war mir das Kopieren der Druckdatei auf eine Speicherkarte schnell zu doof. Schon nach wenigen Wochen hat mir Octoprint auf dem RaspberryPi das Kartenwechseln und Laufen abgenommen. Mit einer kleinen Webcam konnte ich die Drucke jederzeit überwachen und so schnell auf Probleme reagieren. Das war ein großer Schritt vorwärts und beschleunigte die Optimierungen. Irgendwann war ich aber am Ende dessen, was sich über das Modelprogramm, den Slicer, optimieren lies. Die Geschwindigkeit war kaum skalierbar, schon gar nicht mit hohen Qualitätsansprüchen. Hier zeigte sich der Preis und damit die günstige Hardware. Der Creality Ender-3 V2 Neo* ist mit einfacher Technik ausgestattet, und gerade das Mainboard mit dem schwachen Prozessor ist hier limitierend. Die Druckbefehle können einfach nicht so schnell verarbeitet werden, wie das für schnellere Drucke bei guter Qualität notwendig wäre.
Aber auch da gibt es eine Lösung: Die Creality-Firmware wurde durch Klipper ersetzt. Die Klipper Firmware selbst kann recht wenig, der Trick liegt darin die eigentliche Berechnung vom Drucker auf ein stärkeres Gerät auszulagern. Initial bei mir ein RaspberryPi 3B+*, welcher aber nicht gut dem plötzlichen Stromverlust durch den Smart Home Stecker zurechtkam und inzwischen leider defekt ist. Aber was wäre ich für ein Nerd, wenn ich keine Lösung (bereit) hätte? Mein altes Notebook kommt wunderbar mit Stromverlust zurecht und hat auch genug Leistung. Ich drucke jetzt also schneller, aber nicht mit der gleichen Qualität, sondern einer besseren. Klipper bringt noch weitere spannende Funktionen mit. Die beiden wichtigsten sind Pressure Advance und Ressonance Compensation. Ersteres prüft den Druck und passt dann jeweils den Materialfluss an, um zu verhindern, dass zu viel oder zu wenig Kuststoff aus der Düse gedrückt wird. Die zweite Funktion kümmert sich um die Eigenvibration eines 3D-Druckers. Der Druckkopf bewegt sich auf einer Schiene hin und her, die Schiene fährt an gewindestangen in die Höhe und die Druckplatte bewegt sich. Wenig überraschend hat der Drucker eine gewisse Schwingung, die sich stärker bemerkbar macht, je höher der Druckkopf ist. Über einen Testdruck kann man die Frequenz dieser Schwingung bestimmen und in Klipper eingeben. Klipper passt dann die Bewegungen des Druckers so an, dass er diese Schwingungen ausgleicht, also quasi dagegenschwingt. Damit verschwinden Wellen in den Drucken quasi vollständig.
Was noch? Eine Druckkammer, günstig aus Stoff, habe ich mir noch zugelegt. Das schottet den Drucker von der Außenwelt ab und sorgt für konstante Temperaturen. Zusätzlich erlaubt die eingebaute Belüftung noch das Drucken giftigerer Kunststoffe wie ABS. Ausprobiert habe ich das aber noch nicht. Letzte Woche hatte ich den ersten Versuch mit einem anderen Filament als PLA+, und zwar TPU. Tja, ein neues Feld der Optimierung. Gut sehen die Drucke da noch nicht aus. Ah, und einen Sensor muss noch verbaut werden, damit der Druck automatisch stoppt, wenn das Kunststofffilament leer ist. Dadurch würde ich mir viele angebrochene Rollen sparen.
Aber habe ich nur optimiert? Natürlich nicht. Ich habe auch viel gedruckt. Viel Unnötiges, ein paar Deko-Gegenstände und doch auch einige praktische Sachen. MagSafe Tischladegerät für mein iPhone* und Apple Watch*, eine Ladeschale für meine Logitech G Pro Superlight*, Tischbefestigungen für die Joysticks, Kabelhalterungen, Fächer für Schubladen, Spiele, Schutzhüllen, Notebookhalterungen, ... Die Liste ist noch viel länger. Da ich bis heute noch kein 3D-Modelling beherrsche alles Dank anderer User, die ihre Modelle ins Internet stellen. Ich stolpere über ein Problem, ich suche im Internet nach einer passenden Lösung, ich drucke sie. Und das auch noch günstiger, als es irgendwo zu kaufen. Ein Notebookständer? Unter zwei Euro und in 15 Stunden gedruckt.
Um ehrlich zu sein, ich dachte nicht, dass ich so viel Spaß an einem 3D-Drucker haben würde. Aber ich dachte auch nicht, wie nützlich die Dinger sind. Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass man sich mit der Materie beschäftigen muss, egal ob der Drucker teuer oder günstig ist. Auch bei teuren Drucker ist das Wissen notwendig, um wirklich gute Drucke zu erzielen. Mein günstiger Drucker passt für mich sehr gut. Der einzige Grund, weshalb ich zu einem teureren Modell greifen würde, wäre die Möglichkeit mit mehreren Farben oder Materialien zu drucken. Das ist aktuell so kompliziert, dass ich es nicht mache.