Kindle Scribe: Zurück zur Handschrift

Jemand schreibt auf dem Kindle Scribe eine Tagesordnung
Kindle Scribe / by Amazon*

Handschrift, wer kennt es noch? Meistens schreiben wir inzwischen am Computer oder am Smartphone. Zumindest ich. Stift und Papier habe ich selten dabei. Mich nervt es, dass meine Notizen dann verteilt sind und ich sie nicht gut bearbeiten kann. Struktur der Aufzeichnung falsch? Man kritzelt irgendwie dazwischen. Und wo ist der verdammte Aufschrieb, wenn ich ihn brauche?

Eine Möglichkeit digital handschriftliche Notizen zu machen ist das iPad*, für welches es auch einen Stift* gibt. Meine Freundin hat sich den Stift zum iPad gegönnt, nicht gerade günstig. Und es fühlt sich auch einfach nicht gut an, auf einer stark leuchtenden Glasscheibe zu schreiben. Es war einfach nichts für mich.

Recht lange stolpere ich aber immer wieder über das ReMarkable 2*, ein eInk Tablet welches sich auf das Erfassen von Notizen spezialisiert. Das Gerät ist das einzige Produkt des Unternehmens und neben dem Geräteverkauf wird über ein Abo Geld verdient - Cloudzugriff gibt es nur gegen eine monatliche Gebühr. Dazu ist das Gerät laut Tests super zum Schreiben, aber als eBook Reader weniger geeignet.

Und dann veröffentlichte Amazon den Kindle Scribe*, ein Kindle im Großformat mit Notizfunktion. Die Reihenfolge habe ich absichtlich so gewählt. Im Kern ist der Scribe ein eBook Reader. Die Notizfunktion ist ein Zusatz. Laut den ersten Testberichten war diese auch eher schlicht. Aber die Bewertungen sprechen von einer Weiterentwicklung, so dass ich mir das Gerät gekauft habe. Immerhin 200 Euro günstiger als das Remarkable 2.

Kindle Scribe

Der erste Kindle, der auch ein digitales Notizbuch ist – mit Paperwhite-Bildschirm (10,2 Zoll, 300 ppi) und Premium-Eingabestift

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Positiv ist natürlich, dass ich jetzt meinen alten Kindle Paperwhite* zu Hause lassen kann. Der Scribe funktioniert als Kindle wie jeder andere auch und ist dank großem Display super zum Lesen geeignet. Gerade PDFs, von Webseiten gespeicherte Artikel und Mangas sind auf dem Bildschirm ein Traum. Trotz der Größe bleibt es bei 300 DPI Pixeldichte. Die automatische Hintergrundbeleuchtung und anpassbare Farbtemperatur dieser sind neu für mich und funktionieren sehr gut. Pluspunkt zum Paperwhite, welches keine Farbtemperatur und keine automatische Beleuchtung hat. Und ein großer Pluspunkt zum Remarkable, welches keine Hintergrundbeleuchtung hat. Ich finde es super, auch in dunklen Umgebungen problemlos Lesen und Schreiben zu können. Soweit so gut, damit ist das Scribe erstmal ein großer und aufgebohrter Paperwhite.

Aber er heißt nicht umsonst Scribe. Die wichtigste Neuerung ist die Möglichkeit, mit dem mitgelieferten Eingabestift* auf dem Display zu schreiben. Dafür ist Amazon wieder weg von Glas und hat eine leicht raue Oberfläche auf das Display gelegt. Leider ist der Scribe damit nicht mehr wasserfest, an den Strand würde ich ihn aber eh nicht mitnehmen. Mein Paperwhite hat schon ordentliche Kratzer dank Sand und Wind. Das Schreibgefühl ist mit der Oberfläche des Scribes aber hervorragend. Weit weg von Stift und Papier ist es nicht, für mich fühlt es sich fast sogar besser an. Der Abstand zwischen Stift und Display ist geringer als bei einem iPad, die Reaktionszeit des eInk Displays erstaunlich flüssig. Es fühlz sich einfach gut an.

Damit kommen wir zu den Einschränkungen des Geräts. Man merkt dem Scribe auf jeden Fall an, dass das Betriebssystem eigentlich zum Lesen gemacht ist. Die Verwaltung der Notizen ist sehr schlicht. Es gibt einen neuen Bereich Notizbücher, in welchem man Notizbücher und Ordner anlegen kann. PDFs sind aber nicht dort, diese sind in der Bibliothek. Und dabei gibt es auch noch zwei Arten PDFs - entweder man kann direkt reinschreiben, oder man kann an ein Element in der PDF eine Notiz anhängen. Letzteres ist wie bisher beim Kindle, nur eben mit Handschrift. Das hat mich anfangs etwas verwirrt und abgeschreckt. Warum kann ich nicht direkt in Bücher schreiben?

Die Antwort ist einfach: PDFs und Bücher werden im Standard in ein Kindle Format umgewandelt, dass den Text an den ensprechenden Bildschirm und die Einstellungen zur Schriftart und -größe anpasst. Damit ist es quasi kaum möglich, hier sinnvoll Notizen im Text zu erlauben. Das geht nur bei PDFs, welche im ursprünglichen Layout bleiben - dann aber nicht anpassbar sind. Verständlich und eigentlich gut gelöst. Aber PDFs als Vorlage für ein Notizbuch gehen damit leider auch nicht. Daily Planner oder ein Bulletjournal als Vorlage? Nur dann, wenn man in der Bibliothek und nicht in den Notizbüchern damit arbeitet. Doof, aber kein Beinbruch.

Damit sind wir bei den Notizbüchern. Man kann aus verschiedenen Vorlagen den Stil für ein Notizbuch auswählen. Liniert, Kariert, Aufgabenliste, Kalender und noch ein paar mehr. Im geöffneten Notizbuch kann man dann (inzwischen) die üblichen Sachen machen. Schreiben mit Füller, Bleistift, Filzstift oder Marker in verschiedenen Dicken. Radieren oder einen Teil markieren, ausschneiden und verschieben. Gerade letztere Funktion finde ich super. Dabei ist der Scribe inzwischen Druck- und Winkelsensitiv, was gerade beim Bleistift ein tolles Erlebnis ist. Damit hat es sich aber auch schon. Okay, es ist alles, was man für die Erstellung von Notizen braucht.

Am Ende finde ich die Notizen auf dem Kindle toll, aber beim Einkaufen packe ich das Gerät sicher nicht aus, um die Einkaufsliste zu lesen. Manchmal habe ich den Scribe auch nicht dabei, möchte aber trotzdem auf meine Notizen zugreifen. Oder diese mit anderen teilen. Dazu kann ich die Notizen über die Kindle App auf dem iPhone 15 Pro Max* öffnen und dort lesen, was problemlos funktioniert. Alternativ schicke ich mir/jemandem ein Notizbuch per E-Mail als PDF oder als umgewandelten Text. Letzteres hat bisher recht zuverlässig funktioniert. Einzig ein Liveview fände ich noch cool, also die Spiegelung des Scribe Displays auf meinen PC für Besprechungen. Geht (noch) nicht.

In Summe bin ich aber sehr zufrieden mit dem Scribe und ich habe wieder Spaß an der Handschrift. Es geht doch oft schneller, als zu Tippen. Dazu ist man in der Gestaltung wesentlich freier, als am Computer. Ich kann das Gerät als eBook Reader uneingeschränkt und als Notizbuch weitestgehend empfehlen. Ich bin gespannt, ob Amazon das Gerät weiterhin mit neuen Funktionen versorgt, eventuell bekomme ich dann das Liveview noch.

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